Auf der Mierendorff-Insel zwischen Spree und Westhafenkanal erfährt das Gelände des ehemaligen Kraftwerks Charlottenburg derweil eine völlig neue Nutzung. Als Maßnahme für die Verdichtung von Ballungszentren entstehen aktuell in mehreren Städten neue Wohngebiete auf alten Industrieflächen. Auch wenn die Kommunen neuen Wohnraum schaffen müssen, stehen sie zeitgleich vor der Herausforderung, im Zuge des Klimawandels unter anderem Retentionsflächen für mögliche Starkregenereignisse bereitzuhalten. Eine Maßnahme in diesem Konflikt der Raumnutzung besteht darin, Grünflächen in den Baubestand zu integrieren. Hierdurch können sowohl CO2 als auch Wasser eingespeichert und Regenabflussspitzen reduziert werden. Diese Vorteile machen Gründächer und vertikale Gärten in der modernen Stadtplanung fast unerlässlich.
Als grüne Metropole in Europa vorangehen
Diesbezüglich hat das neue Geschäftshaus AERA offensichtliche Maßstäbe gesetzt. Einerseits fügt sich der Neubau ansprechend in das urbane Umfeld der umliegenden Gebäude ein, andererseits sticht er durch den imposanten Dachgarten auffällig heraus. Genau das war die Intention von Benedict Crasemann, seines Zeichens Projektentwickler beim Immobilienunternehmen und Bauherren BAUWENS: „Unser Ziel war es, die Natur einzubeziehen statt sie zu verdrängen und vermeintliche Grenzen zum Fließen zu bringen. Es sollte ein tatsächlich grünes Gebäude entstehen und dies ist uns vollends gelungen.“ Der über 100 m lange und rund 20 m breite Bau mit acht Geschossen zeichnet sich durch seine großflächigen Glasfassaden aus. Die Gewerbe-Mieteinheiten sind geprägt von offenen Raumkonzepten mit Deckensegeln und Konferenzbereichen mit Panoramablick. Schon im 6 m hohen Foyer mit Galerieebene wird klar, dass es sich um einen Bürokomplex der neuesten Generation handelt.
Um diesem mit einem passgenauen intensiven Gründach die Krone aufzusetzen, waren verschiedenste Bau- und Planungsunternehmen am Vorhaben beteiligt, darunter die Architekten Grüntuch Ernst, MBN als Generalunternehmer sowie der Experte für urbane Landschaften Tancredi Capatti vom Landschaftsarchitekturbüro capattistaubach: „Wie wird der moderne Arbeitsplatz in unserer Hauptstadt aussehen? Die Zukunft lässt sich am besten vorhersagen, indem man sie selbst gestaltet“, kommentiert er das spekulative Design. Dieses war ein zentrales Konzept bei der Umsetzung des AERA-Außenbereichs, der sich perfekt in die grüne Umgebung am Spreeufer einfügt.
Der Verlauf der obersten Stockwerke lässt die Dachfläche treppenförmig erscheinen und die 2.200 m2 große Grünanlage erstreckt sich über alle Etagen hinweg. Der Zugang erfolgt über einen Aufstieg an der Westseite des Gebäudes, der eine äußere Verbindung vom Haupteingang zum Dach schafft und von jeder Mieteinheit aus begehbar ist. Bei der Gartengestaltung, die sich entlang des Aufstiegs fortsetzt, kamen verschiedenste Elemente von einfachen Grünflächen über Kiesbeete und Sandlinsen bis hin zu Sitzgelegenheiten in traumhafter Kulisse zum Einsatz. Dabei ist es sogar gelungen, unvermeidbare Dachkomponenten der Haustechnik in das Erscheinungsbild einzubinden bzw. diese in den Hochbeeten geradezu verschwinden zu lassen. In den einzelnen der vier Ebenen, von denen der mittlere Übergang als Tribüne für Veranstaltungen ausgearbeitet ist, ergeben sich keine festen Muster in der Anordnung. Die Entwicklung innovativer Strukturen mit ökologischem Mehrwert steht im Vordergrund beim Design des AERA-Gebäudes.
Hand in Hand zum Erfolg
Weder bei optischen Ansprüchen noch bei Funktionalität und Verarbeitungsqualität darf ein solcher Pionierbau auch nur an einer Stelle Abstriche machen. Verantwortlich für die Umsetzung der Dachbegrünung vor Ort waren Sebastian Simon und Michael Oelmann von der Garten- und Landschaftsbau Klaus Hildebrandt AG mit Hauptsitz in Hamburg. Michael Oelmann setzte aus der Erfahrung bei vorangegangenen Projekten bei der Wahl der Gestaltungselemente vor allem auf die hochwertigen Metallwaren der Richard Brink GmbH & Co. KG: „Die gesamte Aufmachung aus Wege- und Grünflächen, Beeten und Sitzgelegenheiten erscheint wie aus einem Guss. Das liegt nicht zuletzt daran, dass ein Großteil der einrahmenden Elemente tatsächlich aus einem Hause stammt. Die Firma Richard Brink lieferte Treppenwangen, Beeteinfassungen und Hochbeete, allesamt aus Cortenstahl, sowie Entwässerungsrinnen und Roste. Auch bei Sonderformen und projektspezifischen Vorgaben wurden alle Liefertermine zuverlässig eingehalten. Wir sind hochzufrieden mit unserem langjährigen Partner und freuen uns auf die gemeinsame Umsetzung weiterer Projekte.“
Die einzelnen Etagenabschnitte des Aufgangs zum Dach zeichnen sich durch im Wechsel angelegte Beetflächen und Hochbeete aus. Diese führen die Besucher auf einen leicht gewundenen Weg zwischen der Glasfassade des Gebäudes und der Brüstung der Treppenaufgänge. Die flachen Beete sind durch die 3,0 mm starken und 150 mm hohen Stahlbandeinfassungen „Ora Max“ aus dem Hause Richard Brink eingegrenzt. Auch die für die Stufengrößen passgenau angefertigten 10 mm starken Treppenwangen fungieren zeitgleich als Beetbegrenzung, da die gestaffelten Hochbeetwandungen der Treppen- bzw. Etagenübergänge direkt an die Treppenwangen anschließen. Hochbeete des Typs „Semira“ wurden stellenweise mit zusätzlichen Sitzbänken ausgestattet, sodass eine ganze Parkanlage mit verschiedenen Ruheoasen inklusive Blick über die Skyline geschaffen wurde. An ihren Enden laufen die stets maßgefertigten Hochbeete schräg aus, wodurch sich ein eleganter Übergang in die ab Werk radial vorgebogenen Beeteinfassungen ergibt. Darüber hinaus zeichnen sich die einzelnen Ebenen durch weitere organisch geformte Hochbeete aus, die als Inseln zwischen den Wegen frei platziert sind.
Insgesamt finden über 35 Pflanzenarten, darunter bis zu 12 m hohe Bäume sowie für die lokalen Bedingungen geeignete Stauden, in den Beetflächen Platz und binden dabei bis zu 5 t CO2 pro Jahr. Die 480 m umfassende Wegestrecke selbst besteht aus drainagefähigem Gloritbeton in Sandoptik und ist Teil des Regenwassermanagements. Retentionsboxen zur Hochwasservorsorge sind im Sinne des Schwammstadt-Konzepts in die ökologische, wassergebundene Wegedecke integriert. Saug- und Kapillarvliese verteilen das eintretende Wasser zwischen den Boxen und der Substratschicht, sodass die Pflanzen das Wasser aufnehmen können. Bei hohen Temperaturen gibt die Vegetation das Wasser dann durch Transpiration in die Umgebung ab, was das Mikroklima verbessert und die Aufenthaltsqualität im Sommer erhöht. Folglich sind die Hochbeete und Stahlbänder keine vollständig geschlossenen Konstruktionen, sondern dienen der oberflächlichen Abgrenzung einzelner Bereiche, während im Untergrund der Wasserzufluss für die Bepflanzung sichergestellt ist.
Neben Pflanzsystemen hat sich das ostwestfälische Familienunternehmen vor allem auf die Herstellung von Drainage- und Entwässerungslösungen spezialisiert. Auch die 80 mm hohen Betonrinnen „Fortis“ mit einer Nennweite von DN 100, veredelt durch den Design-Gussrost „Zippa“, zieren den Dachgarten. Sie stellen unter anderem in den Bereichen der Etagenübergänge an den Treppen, wo sie sich mit den dunklen Geländern perfekt ins Farbkonzept einbetten, die Wasserableitung sicher. Entlang des Aufstiegs entwässern sie in den Laibungsbereichen der Fenster und Türen auch die Glasfassade. Das AERA-Gebäude fügt sich nahtlos in eine Reihe von Prestige-Projekten in der Hauptstadt ein, unter anderem die Neugestaltung des Centers am Potsdamer Platz, bei denen Produkte der Firma Richard Brink zum Einsatz kamen. Das vielfältige Sortiment des Herstellers liefert auch beim AERA die Grundlage für eine ästhetische Wohlfühloase, welche durch die Bepflanzung im wahrsten Sinne mit Leben gefüllt wurde.
Benedict Crasemann bewertet abschließend: „Wir sind stolz, dieses Projekt verantworten zu dürfen und danken allen Beteiligten von Statik über Architektur bis hin zu den verarbeitenden und zuliefernden Betrieben, deren konstruktive Zusammenarbeit der Schlüssel zum Erfolg war. Mit AERA wurde eine Idee des Büros der Zukunft Realität, bei dem ein erholsamer Ausgleich zum Berufsalltag integraler Bestandteil des Arbeitsplatzes ist.“ Nach Abschluss der Arbeiten hat BAUWENS die Verantwortung für den Neubau an die Immobilien-Assetmanagement AG Real I.S. übergeben und verantwortet auf einem angrenzenden Grundstück die Quartiersentwicklung durch die Errichtung weiterer 100.000 m2 großer Wohn- und Büroflächen in insgesamt acht Gebäuden.
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